Sonntag, 29. November 2015

Die seltsame Insolvenz der Druckerei Himmer / Phoenix Print


Und täglich grüßt das Murmeltier  - aus Augsburg Lechhausen: Zwei bayerische Druckereibetriebe fusionieren, kurz darauf muss die Augsburger Betriebsstätte Insolvenz anmelden. Ein Geschäftsführer bricht eine Tür auf und auch sonst ist alles reichlich mysteriös bei der Phoenix Print.

Rainer Fichtner, Betriebsratsvorsitzender bei Phoenix Print Augsburg, glaubt, diese Insolvenz sei bewusst herbeigeführt worden.
 Mittwoch, der 30. September 2015. Rainer Fichtner steht vor dem Gebäude der Phoenix Print GmbH in Augsburg und raucht. Alle paar Minuten kommen Kollegen, schütteln ihm die Hand, die Stimmung ist gedrückt. Morgen wird die Phoenix Print ihre Tore schließen, möglicherweise für immer. Der Grund: Insolvenz. "Wir haben die Vermutung, dass das alles von langer Hand geplant worden ist", sagt Fichtner. "Irgendwas ist hier faul."


 Tatsächlich ist einiges suspekt am plötzlichen Ende des Druckereibetriebes. Im April 2015 ging es los. Damals hieß die Phoenix Print Augsburg noch Himmer AG und stand schon einmal kurz vor der Insolvenz. Das zumindest sagte der damalige Geschäftsführer Fischer seinerzeit und präsentierte den 84 Beschäftigten auch gleich einen Ausweg: Eine Fusion mit der Würzburger Druckerei Stütz GmbH. Betriebsrat und Belegschaft wurden vor die Wahl gestellt: Entweder Fusion oder Insolvenz. Bedenkzeit: Eine Woche. "Das kam uns damals schon ein bisschen vor wie eine feindliche Übernahme", sagt einer der Kollegen von Phoenix Print. Da es keine Alternative gab, stimmten die Belegschaft und der Betriebsrat zu – die Himmer AG  verschmolz mit der Würzburger Stürz GmbH und hieß fortan Phoenix Print. Alle Vermögenswerte gingen nach Würzburg.


 "Und man hat natürlich auch gleich versucht, uns Einzelarbeitsverträge anzudrehen, die Gewerkschaft sollte komplett draußen bleiben", berichtet ein anderer Kollege. "Das haben wir aber nicht gemacht." "Gewerkschaftlich sind wir hier ziemlich gut aufgestellt", sagt Stephan Nerdinger, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, während er in der Druckerhalle sitzt. Bier und Weißwürste für die ganze Belegschaft gibt es zum Abschied, ein schaler Trost für die kommende Arbeitslosigkeit. Dennoch ist die Stimmung nicht nur schlecht, es werden Abschiedsfotos geschossen, man umarmt sich und stößt immer wieder an. "Wir kennen uns hier alle schon ewig, wir halten zusammen", sagt Nerdinger. So war es auch nach der Fusion. "Wir waren nicht begeistert, aber es gab eine gewisse Hoffnung." Doch keine vier Monate später, am 3. August, liefen bei Phoenix Print plötzlich die Maschinen nicht mehr, erzählt Nerdinger. "Dann wurde eine spontane Betriebsversammlung einberufen und verkündet, wir seien insolvent. Endgültig." 
Die Begründung kam kurz darauf aus dem Würzburg: Die Phoenix GmbH Augsburg schulde dem Partnerbetrieb 1,6 Millionen Euro. 
 Weil die nicht angekommen seien, könne man die Lohngelder nicht nach Augsburg überweisen. "Die Frage, ob das Absicht war, drängt sich meiner Meinung nach auf", sagt Markus Fischer. Fischer war bis zur Insolvenz Geschäftsführer der Phoenix GmbH Augsburg. Von den 1,6 Millionen wisse er nichts. "Ich vermute, dass das mit dem Geld frei erfunden ist." Natürlich sei er juristisch gegen die Würzburger vorgegangen. "Aber klären wird das ein Zivilgericht. Das kann Jahre dauern." Nicht nur Fischer vertritt diese These: Würzburg habe nur mit Himmer fusioniert, um an die Kundendaten der Augsburger zu kommen. Sobald diese angekommen seien, habe man sich in Würzburg einen 1,6 Millionen schweren Vorwand ausgedacht, um fortan alleine weiterzuarbeiten. Mit der Augsburger Kundendatei. 
 "Und dann ist noch der Hof bei uns eingebrochen", sagt Nerdinger. "Das war wirklich wie Kino." Gemeint ist Ronald Hof, den Geschäftsführer des Würzburger Betriebes. Der stand ein paar Wochen nach der Insolvenz plötzlich in Augsburg und verlangte Einlass in den Serverraum von Phoenix. Es war niemand da, der ihm einen Schlüssel hätte geben können. Hof versuchte kurzerhand, die Tür aufzubrechen. Die Belegschaft rief die Polizei, der Raum blieb zu. "Wir wissen nicht, was der hier wollte", sagt Nerdinger. Ronald Hof ist kein Geschäftsführer mehr. Denn inzwischen hat auch Würzburg Insolvenz angemeldet. "Die haben sich überschätzt, hatten gar nicht die Kapazitäten, um unsere Aufträge mitzubearbeiten", munkelt man in der Augsburger Filiale. Zuvor gab es jedenfalls noch die Ankündigung von Geschäftsführer Fischer, man habe einen Investor in Aussicht. Mit dem könne die Augsburger Firma vielleicht bald wieder ihre Tore öffnen. Das schürt Hoffnung, führt aber – in den Augen so mancher Phoenix-Mitarbeiter – noch einen weiteren Verdächtigen ins Feld: "Es kann sein, dass Fischer eingeweiht und an der Insolvenzplanung beteiligt war", mutmaßt ein Augsburger Kollege. "Damit wir in ein paar Monaten mit einem neuen Investor wieder eingestellt werden – zu schlechteren Bedingungen."
Und täglich grüßt das Murmeltier?

 Mit Material aus: Ver.di druck+Papier (Ausgabe: November 2015)

2 Kommentare:

  1. das interessiert bei weltbild keinen menschen - was soll dieser bericht - werbung für Verdi?
    wahrscheinlich wird dieser kommentar gelöscht!

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    1. Fuer mich ist das halt nur ein weiteres Beispiel wie wissentlich eventuel sogar bösartig eine Firma in die Insolvenz geschickt wird. Blick über den Tellerrand.

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