Freitag, 26. Juni 2015

Konzernbetriebsrat: "Viele Probleme, keine Lösungen"


"Entgegen der Jubelmeldungen der Pressestelle brennt es nach wie vor an allen Ecken und Enden im Konzern", fasste Vorsitzende Dolores Sailer nach der Sitzung des Konzernbetriebsrats am Mittwoch zusammen. "Die Geschäftsführung versucht die hausgemachten Probleme einseitig auf Kosten der Belegschaft zu lösen. Das wird nicht funktionieren, weil nach wie vor tragfähige Konzepte fehlen."

Der Konzernbetriebsrat (KBR) setzt sich aus VertreterInnen aller Mitbestimmungsgremien im Konzern zusammen und hat derzeit vier Mitglieder. Dolores Sailer und Timm Boßmann vertreten den gemeinsamen Betriebsrat von WELTBILD Retail und ALSO Logistik in Augsburg; Julia Käding und Christian Augustin sind Abgesandte des Gesamtbetriebsrats (GBR) der WELTBILDplus-Filialen. In Kassel erörterten sie die Lage der verschiedenen Konzernteile.

WELTBILDplus: Notverkauf an LesensART brachte nicht die gewünschte Entspannung

Die Umsätze von rund 80% der Filialen liegen weiterhin deutlich unter Vorjahr. Lediglich jene 20% der Buchläden, die unter dem Jokers-Logo laufen, lassen eine Trendwende erkennen. Für den Filial-GBR ist das ein deutlicher Hinweis, dass mehr Mitbestimmung der FilialleiterInnen bei der Sortimentsauswahl der richtige Weg ist.

Bei Jokers haben die MitarbeiterInnen vergleichsweise freie Hand, was sie in ihren Filialen anbieten. Bei WELTBILDplus hingegen wird weiter um die Sortimentsauswahl gestritten, die aus Sicht der GF zu wesentlichen Teilen über eine zentrale Warenzuteilung geregelt werden soll. Das war im Zuge der mehrfachen Verkleinerung des Filialnetzes aber ausdrücklich anders mit dem GBR vereinbart worden. Jedoch fühlen sich Teile des Managements offenbar nicht mehr an entsprechende Interessenausgleiche und Betriebsvereinbarungen gebunden und fordern erneut zu Verhandlungen auf. Der bereits seit langem verhandelte Personalschlüssel wird ebenfalls nicht umgesetzt, und auch über der Umsetzung der vereinbarten Qualifizierungsmaßnahmen steht ein großes Fragezeichen. GBR-Vorsitzende Julia Käding beklagt zudem die mangelhafte Kommunikation der Geschäftsführung mit dem GBR:"Wir denken, dass ein verbindlicher Umgang miteinander und eine vernünftige Unternehmenskultur die Voraussetzungen für jeden möglichen Erfolg in der Zukunft sind. Davon sind wir aktuell leider noch weit entfernt."

Große Sorge bereitet dem Konzernbetriebsrat auch die Situation in den Filialen, die an den undurchsichtigen Unternehmer Rüdiger Wenk in Ahaus im Zuge eines Notverkaufs verscherbelt wurden. Aufgrund eines dilettantischen Konstruktionsfehlers im Verkaufsprozess, gehen die Mietverträge weiter zu Lasten von WELTBILDplus. Deshalb werden jetzt andere Untermieter für die LesensART-Flächen gesucht. So wie es sich momentan abzeichnet, wird wohl  eine Vielzahl der Filialen  zeitnah schließen. In den anderen Standorten versucht Wenk-Berater Bernhard Ludwig Winkelhaus die FilialleiterInnen mit Druck zur Übernahme ihrer Filialen im Rahmen eines Franchise-Vertrags zu "überreden". Es ist denkbar, dass die betroffenen MitarbeiterInnen unter diesen Umständen nachträglich dem Betriebsübergang widersprechen und Weiterbeschäftigungsansprüche gegenüber WELTBILDPlus geltend machen. Die Mietzahlungen, die WELTBILDplus weiter leisten muss, drücken in jedem Fall auf die Liquidität des Unternehmens und gefährden konkret das nächste Weihnachtsgeschäft. Siehe dazu auch den Offenen Brief des GBRs von LesensART weiter unten.

WELTBILD Retail: Strategisch schlecht aufgestellt

Auch in der Augsburger Zentrale herrscht Frust innerhalb der Belegschaft: Die Sortimentsstrategie bleibt unklar und widersprüchlich. Die Bereiche Buch und Non-Media agieren intern gegeneinander und das Zukunftsgeschäft mit Tolino und eBooks bleibt auf der Strecke.

Die Werbebudgets sind weiter viel zu niedrig angesetzt. So schöpft WELTBILD seine Kunden-Potentiale bei weitem nicht aus und riskiert sehenden Auges die rasante Entwertung des eigenen Adressbestandes. Mit dem Notverkauf der Filialen wurde der dritte Absatzkanal möglicherweise irreparabel beschädigt, außerdem fehlen die dort generierten Aufträge schmerzhaft in Augsburg.

Durch die fortgesetzten Fehlentscheidungen des Investors Walter P. Droege sinkt der Unternehmenswert weiter, und es wird immer schwieriger, Partner für das Weihnachtsgeschäft zu finden, das mit Millionen von Euro vorfinanziert werden muss. Es ist nach wie vor unklar, ob der Warenkreditversicherer Euler Hermes die Verträge mit WELTBILD erneuert, und welche Banken WELTBILD in Zukunft finanzieren. Dazu gibt es keine offiziellen Aussagen der Geschäftsführung gegenüber dem Betriebsrat, sondern nur widersprüchliche Gerüchte im Flurfunk.

ALSO Logistik: Wo bleibt das Drittgeschäft?

Das Versprechen Walter P. Droeges, er könne und wolle die Augsburger Logistik mit Aufträgen aus der ALSO-Gruppe wieder aufpäppeln, war vor einem Jahr ausschlaggebend für den Zuschlag an den  Düsseldorfer Milliardär. Auf dieses sogenannte "Drittgeschäft" warten die Augsburger KollegInnen aber bis heute vergeblich. Die Situation in der Logistik ist grotesk: MitarbeiterInnen werden bei voller Bezahlung nach Hause geschickt, weil es fast nichts mehr zu tun gibt. Und mit Reiner Wenz wurde ein neuer Geschäftsführer an Bord geholt, dem nach zwei Pleiten mit einer Wurstfabrik und einem Tütensuppenhersteller ein unguter Ruf als Abwicklungsmanager vorauseilt. Dafür spricht auch, dass Wenz über keinerlei Expertise im Bereich Logistik verfügt.

Der Logistikstandort in Augsburg gehört mit dem erst vor zehn Jahren erbauten Hochregallager und dem 2013 fertiggestellten S-Shuttle zu den modernsten Versandzentren in Europa. Aber alle Bänder stehen still, wenn man keinen Umsatz machen will: Die Entscheidung Walter Droeges, den Umsatz der Retail Ende 2014 substantiell zurückzunehmen, um so schneller zurück in die Gewinnzone zu kommen, erweist sich als fatal.

Die absehbare Folge dieser Entscheidung, die vom BR immer wieder kritisiert worden war: Von einem auf den anderen Tag fehlten Tausende Aufträge. Seither kämpft ALSO mit den Folgen der Unterauslastung. Im Februar folgte die Notschlachtung des Filialbetriebs. Damit brachen weitere bedeutende Auftragskontingente gleichsam über Nacht weg. Aber nicht genug: Seither kauft Retail bevorzugt Ware ein, die von Großhändlern im Auftrag von WELTBILD direkt an die EndkundInnen ausgeliefert wird. Ein weiterer Dolchstoß in den Rücken der Logistik. "Die Lage in der Logistik hat nichts mit einer Verkettung unglücklicher Umstände zu tun", stellt Timm Boßmann klar. "Alles wurde in Düsseldorf entschieden. Die Auswirkungen bewusst in Kauf genommen."

Alle Versuche des Betriebsrats gegenzusteuern, werden von der ALSO-Geschäftsführung unterlaufen: Es gibt nach wie vor kein erkennbares Bemühen, Drittgeschäft zu akquirieren oder Aufträge aus der ALSO-Gruppe nach Augsburg umzuleiten. Obwohl der Arbeitgeber bereits im November erkannt hatte, dass Veränderungen der IT und einige Umbauten nötig wären, um Logistikdienstleistungen über das WELTBILD-Geschäft hinaus anbieten zu können, ist bis heute nichts in dieser Richtung geschehen. Im Gegenteil: Der frühere Geschäftsführer Hans Schmitz-Wenzel, der entsprechende Projekte nach Wahrnehmung des Betriebsrats vorantrieb, hat das Unternehmen im Februar unter ungeklärten Umständen plötzlich verlassen. Nachfolger Reiner Wenz ist fachlich offenkundig überfordert und verweigert zudem jede Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat. Daran droht jetzt auch die Umsetzung eines Sicherheitskonzepts zu scheitern, das für Zollbehörden, Versicherungen und potentielle Logistik-Kunden gleichermaßen wichtig ist.

Der Betriebsrat in Augsburg pocht nach wie vor auf die mit Walter Droege geschlossenen Vereinbarungen. "Das Drittgeschäft war von Anfang an ein zentraler Bestandteil des Fortführungskonzepts. In diesem Zusammenhang wurden Zusagen gemacht und Investitionen versprochen", erinnert Timm Boßmann. "Die aktuellen Probleme sind hausgemacht. Die Situation der Logistik würde sich sofort substantiell ändern, wenn Drittgeschäft käme. Dafür müsste unser Investor lediglich die Vereinbarungen einhalten." Deshalb werden das Drittgeschäft bzw. die Schaffung der nötigen Voraussetzungen dafür zentrale Punkte der Arbeitnehmerseite in der Einigungsstelle sein.

4 Kommentare:

  1. Für mich ist die Strategie klar. Das Geschäft wird gezielt herunter gefahren, damit man gute Gründe hat das teure Personal in der Logistik zu reduzieren oder Lohnkürzungen durchzusetzen. Wenn der Wert des Unternehmens weiter fällt, dann kann Dröge auch die restlichen 40%, die noch von Insolvenzverwalter gehalten werden, deutlich günstiger erwerben, als dies unmittelbar nach der Insolvenz der Fall gewesen wäre.

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    1. aha. Und wozu nach ihrer Theorie, wenn das Geschäft eh schon runter gefahren wurde. Dann brauch ich auch nix mehr günstig erwerben. Bitte mal logisch nachdenken.

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  2. Dem Artikel nach zu urteilen sieht das ganze eher nach einem vollkommenen Fehlen irgend einer Strategie aus. Inkompetente Spekulanten wollten ein namenhaftes Unternehmen kaufen es sanieren und wollen es dann wieder weiterverkaufen. Doch jetzt müssen sie feststellen das sie doch nicht alles wissen und alles können. Der Buchhandel oder überhaupt der Internethandel ist kein einfaches Geschäft. Die Gewinnmargen sind wegen der großen Konkurrenz eher niedrig. Was man bei Weltbild kaufen kann das bekommt man anderswo auch und dazu noch billiger. Die Geschäftsidee von Weltbild hat sich überlebt. amazon ist Marktführer und macht es einfach besser und billiger. Die Tage von Weltbild sind meiner Meinung nach gezählt.

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    1. Ich denke, die Filialen wurden bewusst an Lesensart verkauft oder auch verschenkt, damit dieser das Problem der zu teuren Filialen löst,
      auch wenn es auf Kosten der Mitarbeiter geht.

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