Dienstag, 1. März 2011

Zerrbild: Ein Unternehmens-Leitbild und das Abbild der Wirklichkeit

 
Es sind ehrenwerte Absichten, die die Verlagsgruppe Weltbild vor ein paar Jahren in ihrem »Leitbild« sowie in einer Broschüre zum »Unternehmensbild« geäußert hat: große, schöne Worte über die Weltbild-Unternehmenskultur und den Umgang mit Mitarbeitern, die sicherlich immer noch ihre Gültigkeit besitzen und von der Geschäftsleitung als selbstverständliche Maximen betrachtet werden. Doch was haben diese Leitlinien, hat dieses innerbetriebliche Prinzipienwerk, das ja auch positiv nach außen wirken soll, mit der aktuellen Realität zu tun?

Wir meinen, dass es höchste Zeit ist, an die hehren Leitlinien zu erinnern – und sie auf den Prüfstand zu stellen: Entsprechen sie der alltäglichen Arbeitswirklichkeit in den verschiedenen Abteilungen der Verlagsgruppe Weltbild? Wird das in der Praxis umgesetzt, was die Unternehmensführung (in der Theorie) propagiert sowie als Ziele und Umgangsrichtlinien definiert?

Insebsondere vor den publik gewordenen »Zuständen« bei Kidoh, aber auch vor dem Hintergrund von Vorkommnissen aus anderen Abteilungen ist es mehr als legitim, diese Fragen zu stellen.

»Wir sind fair im Umgang miteinander. (…) Kurze Wege und Chancen für Mitarbeiter sind uns wichtiger als hierarchisches Denken.«

So wird bei Weltbild die »Unternehmenskultur« definiert. Mit wie vielen Hierarchieebenen es Weltbild-MitarbeiterInnen in ihrem Arbeitsalltag deutlich spürbar zu tun haben, und wie dieses oft wuchtige, komplexe Hierarchiegefüge Effektivät und fruchbare Eigenitiative lähmt – davon können viele Kolleginnen und Kollegen ein Lied singen.

»Alles was wir ändern, verbessern oder erneuern wollen, setzt informierte und motivierte Mitarbeiter voraus.«

Dass MitarbeiterInnen wichtige Informationen vorenthalten werden, z.B. über geplante Umstrukturierungen, Veränderungen der Zuständigkeiten/Aufgabenbereiche, Teamwechsel etc., kommt recht häufig vor. So vermeiden Vorgesetzte lästige Diskussionen im Vorfeld von Entscheidungen, die dann nur noch verkündet werden. Vor vollendete Tatsachen setzen, wird diese Vorgehensweise allgemein genannt. Nicht selten sind Begründungen für Veränderungen, wenn sie denn artikuliert werden, vorgeschoben und wenig plausibel. Dies ist dann alles andere als motivierend.

Mit der hohen Kunst der Mitarbeiter-Motivation ist ohnehin nicht jede/r Vorgesetzte, Gruppen- oder Abteitungsleiter bei Weltbild gesegnet. Was es für gesundheitliche Folgen haben kann, wenn Kollegen beispielsweise über einen längeren Zeitraum von ihrem Vorgesetzten nie ein Wort des Lobes zu hören bekommen, konnte man vor einiger Zeit in der höchst interessanten Titelstory des »Spiegel« (2/2011) zum Thema »Burnout« lesen! Eine medizinsoziologische Langzeitstudie kam zu dem Ergebnis, dass das Risiko, an einer Depression zu erkranken, binnen fünf Jahren um 70 Prozent steigt, wenn Arbeitnehmer »dauerhaft überfordert, nicht gerecht und angemessen belohnt oder unfair behandelt« werden.

»Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und haben Achtung vor dem einzelnen, wir sehen und behandeln die Mitarbeiter als Partner.«

Partnerschaftlicher, verantwortungsbewusster Umgang zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern – das ist leider nicht selbstverständlich bei Weltbild. So kommt es immer wieder vor, dass der Tonfall im Umgang gegenüber »Untergebenen« völlig unpassend ist. Respektlosigkeit und mangelnde Höflichkeit sind in vielen Abteilungen durchaus an der Tagesordnung – das geht hin bis zu beleidigenden Äußerungen.

Die Geschäftsleitung ist jetzt aufgefordert, Flagge zu zeigen. Wenn für sie die Leitlinien der Verlagsgruppe Weltbild noch aktuell sind und Gültigkeit besitzen, wenn das von ihr selbst konzpierte Unternehmens-»Leitbild« auch im täglichen Arbeitsalltag »gelebt« werden soll – und damit mehr als eine Sammlung gut gemeinter Vorsätze auf ein paar Blättern Papier ist – dann sollte sie die Umsetzung ihrer Ziele zu einer Herzensangelegenheit machen. Grünes Licht für die »Aktion fair« – im gesamten Unternehmen!

Vom Betriebsrat wird die Geschäftsleitung mit Sicherheit bei allen erforderlichen Schritten, Gesprächen und Maßnahmen die notwendige Unterstützung erhalten! Denn der Betriebsrat erhält fast täglich Informationen von MitarbeiterInnen über unfaire oder demotivierende Behandlung – und ist verpflichtet, solchen Meldungen nachzugehen und Missstände abzustellen.

Ob es da um unzulängliche bzw. fehlende Personal-Vertretungsregelungen geht (z.B. bei Urlaub, Krankheit oder Fortbildung), um Ideen zur Verbesserung von Arbeitsabläufen, die im Papierkorb landen oder von Vorgesetzten als eigene Vorschläge ausgegeben werden – oder um Personalgespräche, die gar nicht stattfinden oder unstrukturiert bzw. unzureichend ablaufen … Dies alles ist weit entfernt von den Ansprüchen, die in den Leitlinien verankert sind.

Darum sei zum Schluss noch einmal aus der schönen Unternehmensbroschüre zitiert: »Chefs sind unsere Trainer, die Mannschaft ‘schießt die Tore’.« Also!
  

1 Kommentar:

  1. Sehr guter Artikel, bin gespannt ob einer der Verantwortlichen (Geschäftsführung) hier im Forum reagiert...

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